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Fachkräftemangel bis 2030: Chancen und Herausforderungen

Im Interview mit Johannes Kopf, Mitglied im Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, beleuchten wir die anhaltende Problematik des Fachkräftemangels und mögliche Lösungsansätze.

Die Auswirkungen des demografisch bedingten Fachkräftemangels, verstärkt durch die gestiegene Nachfrage nach Covid-Restriktionen, werden uns noch lange begleiten. Doch es gibt Hoffnung: Ab 2024 wird das Frauenpensionsalter schrittweise angeglichen, wodurch jährlich etwa 20.000 Frauen länger am Arbeitsmarkt bleiben können.

Welche Maßnahmen sind von der Politik einzufordern? Ein Bündel an sinnvollen Maßnahmen ist gefragt, darunter flächendeckende und leistbare Ganztageskinderbetreuung, um Frauen mehr Stunden arbeiten zu ermöglichen. Unternehmen können ebenfalls aktiv handeln und vorhandene Arbeitskräfte besser nutzen, sei es durch gezielte Förderung von Teilzeitkräften, ausländischen Fachkräften oder altersgerechten Arbeitsplatzgestaltungen.

Auch wir als First West, spezialisiert auf Förderprojekte, sind vom Fachkräftemangel betroffen. Doch es gibt Lösungen: Anerkennen der Situation am Arbeitsmarkt, Stärkung der Arbeitgeberattraktivität und Beratung durch das AMS.

Wie sieht die Zukunft bis 2030 aus, wenn die nötigen Schritte gesetzt werden? Der Fachkräftemangel wird bestehen bleiben, jedoch können gezielte Maßnahmen und Zuwanderung dazu beitragen, die angespannte Situation zu entspannen. Die konjunkturelle Entwicklung spielt dabei ebenfalls eine Rolle.

Erfahren Sie im vollständigen Interview mit Johannes Kopf, wie der Fachkräftemangel bewältigt werden kann:

Foto: © AMS Österreich / Tanja Hofer
  1. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Situation weiterentwickeln wenn wir nicht handeln? Im Ausblick bis 2030. 

Johannes Kopf: “Der Fachkräftemangel, der hauptsächlich demografische Ursachen hat und vom Nachfrageboom nach den Covid-Restriktionen verstärkt wurde, wird uns auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Aber er wird möglicherweise nicht so drastisch ausfallen, wie manchmal befürchtet. Ein Grund dafür ist, dass ab 2024 das Frauenpensionsalter jedes Jahr um 6 Monate erhöht wird, bis es an das der Männer angeglichen ist. Das führt dazu, dass jährlich etwa 20.000 Frauen länger am Arbeitsmarkt bleiben.”

  1. Welchen Handlungen wären Ihrer Meinung nach von der Politik einzufordern? 

Johannes Kopf: “Unseren Fachkräftemangel kann man nur mit einem Bündel an Maßnahmen sinnvoll bekämpfen. Viele davon wirken auch nicht sofort, sondern brauchen ihre Zeit. Die Politik setzt durchaus schon jetzt einige Maßnahmen wie etwa bei den Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte oder zahlreiche Ausbildungsakzente wie zum Beispiel der Umweltstiftung. Meines Erachtens am wichtigsten wären aber flächendeckende und leistbare Ganztageskinderbetreuungsangebote, damit Frauen mehr Stunden arbeiten können, sofern sie dies möchten.”

  1. Was können Unternehmen selbst bewirken und wie müssten sie sich ändern? 

Johannes Kopf: “Unternehmen können weder die Demografie ändern noch die Zuwanderung von Fachkräften im größeren Stil selbst beeinflussen. Aber sie können die Initiative ergreifen und sich im Rahmen der gegebenen Verhältnisse am Arbeitsmarkt aktiv um die vorhandenen Arbeitskräfte bemühen. Es gibt Frauen, die arbeiten möchten, aber nur Kinderbetreuung für Teilzeitarbeit finden, es gibt ausländische Menschen, die vielleicht noch nicht perfekt Deutsch sprechen, aber gute Mitarbeiter:innen sein können. Auch beim Thema Ältere und altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung oder bei der überregionalen Vermittlung gilt es offen zu sein und neue Wege zu gehen. Es gilt vor allem einmal das vorhandene Arbeitskräftepotenzial zu nutzen und die eigenen Handlungsoptionen zu erkennen.”

  1. Wir als First West kommen aus der Förderschiene, beschäftigen uns also mit der Umsetzung von Förderprojekten (innovations- & investitionsseitig). Dabei sind wir vom Fachkräftemangel selbst betroffen, einerseits könnten wir mehr Aufträge abwickeln, wenn wir selbst mehr Fachpersonal bekommen würden und andererseits fehlt es den Betrieben (unseren Auftraggebern) nicht selten an Personal um genehmigte Projekte in der angestrebten Zeit abzuwickeln. Wie könnten hier Lösungen aussehen? 

Johannes Kopf: “Fachkräftemangel ist ein gefürchtetes Phänomen, da er letztendlich auch die Produktionsfähigkeit von Betrieben beeinträchtigt. Das ist für das einzelne Unternehmen, aber auch für eine Volkswirtschaft natürlich ein Problem. Ich kann Betrieben nur raten, die Situation am Arbeitsmarkt anzuerkennen, als Rahmen zu akzeptieren und dementsprechend an ihrer Arbeitgeberattraktivität zu arbeiten. Der Arbeitsmarkt hat zwar seine Besonderheiten, aber er bleibt ein Markt, wo es nun tatsächlich Wettbewerb um Arbeitskräfte gibt. Betriebe müssen alles tun, damit Menschen gerne bei ihnen arbeiten. Das AMS berät hier gerne.”

  1. Und zum Schluss würde ich gerne eine positive Einschätzung haben, wie würde sich es sich bis 2030 auswirken, wenn die nötigen Schritte alle gesetzt worden sind?

Johannes Kopf: “Eines ist sicher: Die demografische Entwicklung lässt sich nicht ändern und der Fachkräftemangel wird auch bis 2030 bleiben, die Frage ist nur, in welchem Ausmaß.  Ich bin zuversichtlich, dass sich die angespannte Mangelsituation aber abhängig von den ergriffenen Maßnahmen auch deutlich entspannen kann. Dazu gehören die Aktivierung von noch ungenutzten Arbeitskräftepotenzialen, aber auch mehr Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Es hängt aber natürlich auch einiges an der konjunkturellen Entwicklung: Besonders stark war die Personalnot 2022, als wir ein Wirtschaftswachstum von fast fünf Prozent erlebt haben. Ein geringeres Wachstum führt auch zu weniger Personalbedarf. Freilich will das aber kein Betrieb.”